Beispiel Wohnungsgenossenschaft Fortschritt e.G. Döbeln

Ein Ansprechpartner vor Ort

Ein erklärtes Ziel sozialer Arbeit der Wohnungsgenossenschaft „Fortschritt“ eG Döbeln ist es, ihren Genossenschaftsmitgliedern und Mietern ein langes, selbstbestimmtes Leben in der vertrauten Umgebung zu ermöglichen bzw. in diesem Sinne Unterstützung zu geben. Dabei setzt die Genossenschaft sowohl auf präventive (Aktivierung, soziale Kontakte und Fitnessangebote), als auch auf kurative Ansätze (Begleitung und Hilfe in Notsituationen).

Mit einer gezielten und persönlichen Ansprache von Bewohner:innen der Genossenschaft soll ein niedrigschwelliger Zugang erreicht werden. „Zuhören“, „Auffangen von Problemlagen“ sowie gemeinsam mit den Betroffenen „Lösungen erarbeiten“ waren die ersten Intentionen der eigens dafür eingestellten Mitarbeiterin.

Titel: Immer erreichbar © Florian Kiel

Titel: Immer erreichbar © Florian Kiel

Wirkungsvolle Unterstützungsangebote mussten und müssen gemeinsam mit kompetenten und professionellen Partnern in der Region definiert, diskutiert und abgestimmt werden, um in funktionierende Hilfe- bzw. Dienstleistungsketten einfließen zu können. Aus dieser Erkenntnis heraus entstand der Ansatz der Bündelung vorhandener Kräfte, um den hilfebedürftigen Mitgliedern und Mietern „kurze Wege“ zur Lösung ihrer Problemstellungen auch im sozialen Bereich zu ermöglichen. Im Einzelnen bein- haltet dieser Konzeptansatz die folgenden Schritte:

  1. Ansprache von Partnern aus der Region

  2. (Meilenstein: Erste Angebote vor Ort)

  3. Bündelung der Interessen zur Gründung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe

  4. (Meilenstein: Gründung der AG Sozialmanagement)

  5. Abstimmung der Zusammenarbeit und Erarbeitung von Instrumenten

  6. (Meilenstein: Wege-Hilfe-Plan)

  7. Schaffung von Angeboten für verschiedene Zielgruppen

  8. (Meilenstein: Beratungsangebote)

  9. Informationsangebote für Zielgruppen für verfügbare Beratungsangebote

  10. (Meilenstein: Sensibilisierung)

  11. Erfolgskontrolle und stetige Weiterentwicklung der Angebote

Titel: Vernetzungsmodell WGF e.G. Döbeln ©Genossenschaftsverband Sachsen

Titel: Vernetzungsmodell WGF e.G. Döbeln ©Genossenschaftsverband Sachsen

Die entscheidende Leistung der Genossenschaft ist die Vereinfachung der Kontaktanbahnung zwischen Hilfesuchenden und helfender Stelle (kurze Wege). Dennoch wurde bereits nach kurzer Zeit deutlich, dass sich die Partner auch untereinander vernetzen müssen, um ihre begrenzten Ressourcen optimal zum Nutzen der Hilfebedürftigen einsetzen zu können. Im Interesse ihrer Mitglieder entstand der Gedanke zur Organisation einer gemeinsamen Vernetzungsplattform als Rahmen sozial orientierter Netzwerkarbeit.

Gründung der AG Sozialmanagement

Bei der Einbindung und Vernetzung professioneller Akteure geht es um die Schaffung einer Plattform, um im Bedarfsfall schnell kompetente Ansprechpartner für soziale Belange zu finden (Perspektive Betroffene) und den Mietern und Hilfe- suchenden effektiv Unterstützung geben zu können (Perspektive Helfer). Notwendig ist dazu neben einer Sensibilisierung und Vernetzung der beteiligten Akteure innerhalb der Genossenschaft (Vernetzung und Austausch unter Kollegen) insbesondere die Möglichkeit einer gezielten Ansprache externer Partner (kommunale und soziale Dienstleister in der Region), die für eine untereinander abgestimmte soziale Arbeit in der Stadt Döbeln vernetzt sein müssen.

In diesem Sinne wurde die AG Sozialmanagement unter Leitung der WGF ins Leben gerufen. Sie fungiert als Kommunikations- und Vernetzungsplattform zwischen sozialen und kommunalen Partnern, anfänglich zum Austausch der Partner zu aktuell wichtigen Themen, zunehmend aber auch zur Unterstützung einer effektiven und schnellen Lösung auftretender Probleme vor Ort. Treibende Kraft ist bis heute die WGF, deren Motivation zum einen in der Unterstützung ihrer Bestandsmieter für ein langes, selbstbestimmtes Leben in der gewohnten Umgebung, und zum anderen in einer Steigerung der Attraktivität ihres Wohnungsbestandes auch für potentielle Neumieter besteht.

Beim Ausbau sozialer Kompetenzen (z. B. Unterstützung bei Anträgen, Unterstützung in der Häuslichkeit und bei Besorgungen, Förderung sozialer Kontakte) konnte dabei auf eine Vielzahl bestehender Kontakte und Aktivitäten zurückgegriffen werden. Zusätzlich gibt es ergänzende Unterstützungsangebote im Wohnbereich für einen möglichst langen Verbleib in der vertrauten Umgebung, auch bei zunehmenden körperlichen Einschränkungen.

Wege- und Hilfeplan

Das Konzept des „Wege-Hilfe-Plans“ sieht vor, Mitglieder und Mieter der Genossenschaft bei der Lösung auftretender Probleme (beispielsweise bei Mietschulden, Nachbarschaftskonflikten, alters- oder krankheitsbedingten Einschränkungen oder generell der Alltagsbewältigung) zu beraten, zu unterstützen und zu begleiten. Damit werden die ursprünglich auf das Wohnen bezogenen Service- und Dienstleistungen auf den sozialen Bereich ausgeweitet.

Das beinhaltet das Erkennen und die Aufnahme der individuellen Problemlagen durch sozial sensibilisierte Mitarbeiter:innen der Genossenschaft, die Suche nach und die Entscheidung über praktikable Lösungsalternativen, von der Bearbeitung innerhalb der Genossenschaft (z. B. Veranlassung baulicher Veränderungen) bis hin zur Vermittlung von Partnern (z. B. zur Beantragung von Zuschüssen und Hilfen, Beratung zur Pflege oder Schuldnerberatung) sowie einer Begleitung des mit dem Betroffenen besprochenen bzw. vereinbarten Lösungsweges.

Die stärkere Vernetzung sozialer Unterstützungsstrukturen zur Vermittlung schneller, möglichst unkomplizierter Unterstützungsangebote vor Ort ist ein Hauptanliegen der WGF. Das geschieht mit dem erklärten Ziel, der eigenen Mieterschaft ein langes, selbstbestimmtes Leben in der vertrauten Wohnumgebung zu ermöglichen und sich damit aktiv den Herausforderungen des demografischen Wandels zu stellen. In der Praxis geht es dabei um die möglichst frühzeitige Erkennung und Bewältigung von Notsituationen einzelner, oft älterer Bewohner. Über eine Stärkung des „Miteinanders“ im Quartier sowie der gegenseitigen Achtsamkeit werden verbesserte Zugangswege insbesondere zu potentiell hilfe- bedürftigen Bewohnern angestrebt, um solche Notsituationen im Idealfall zu vermeiden.

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Einordnung im Vergleich zur QuartierPflege

Im Projekt QuartierPflege haben wir ganz ähnliche Ansätze wie die Wohnungsgenossenschaft Fortschritt e.G. in Döbeln. Dazu gehören Beratung, Begleitung und Unterstützung durch ein zentrales Fallmanagement, aber auch die Vernetzung mit umliegenden Institutionen aus dem großen Bereich Pflege und Sorge.

Ein zentraler Unterschied ist die prominentere Betonung der Rolle von Angehörigen und Nachbarschaft. Hier möchten wir insbesondere für die Nachbarschaft alle denkbaren Hürden für ein Engagement senken oder aus dem Weg räumen. Dazu gehören Rollenprofile für nachbarschaftliche Tätigkeiten, Anleitungen, Schulungen und unterschiedxliche finanzielle Modelle je nach Engagement der Nachbar:innen. So schaffen wir ein Netzwerk der Selbsthilfe, was gut gerüstet ist gegen einen möglichen zukünftigen Ausfall von entscheidenden Netzwerkpartnern im Bereich der Sorge und Pflege wie Pflegediensten, Haushaltshilfen und Ärzten. Einen absehbaren Pflegenotstand können wir so abfedern und sozial verträglich gestalten.

Betreuungsdienste vs. Nachbarschaftshilfe

Auszug aus dem 7. Altenbericht der Bundesregierung